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"Anton Schlecker lebt auf Kosten der Allgemeinheit"

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Beitrag  checker Mi Jan 25, 2012 11:04 pm

In Salzgitter traf sich SPD-Chef Sigmar Gabriel am Mittwoch mit Schlecker-Betriebsrätinnen. Eine Lösung für den Pleite-Schlamassel hat auch er nicht.

Gabriel ist klug genug, gar nicht erst so zu tun. Termine wie dieser sind für Politiker ja eine Gratwanderung: Im Grunde können sie nicht helfen, aber ihnen sitzen Menschen gegenüber, die sich nichts sehnlicher wünschen als das. Versprechen die Politiker zu viel, ernten sie hinterher Enttäuschung. Zeigen sie sich aber zu wenig engagiert, schadet ihnen das auch.

Gabriel ist ein Meister darin, das Beste aus der Situation zu machen. Ganz offen sagt er: "Ich drück Ihnen die Daumen, viel mehr kann ich nicht machen." So viel Ehrlichkeit wirkt entwaffnend. "Es ist gut, dass er Interesse gezeigt hat", sagt Sabine Ohlendorf, Betriebsrätin aus Salzgitter. "Endlich hört mal jemand zu", sagt ihre Braunschweiger Kollegin Rosi Gerske.

Gabriel signalisiert: Das ist keine Show hier!

Etwa eine Stunde haben die Frauen mit Gabriel, Treffpunkt ist ein Konferenzraum im Ratskeller in Salzgitter-Bad. "Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben", sagt Gabriel, was umwerfend bescheiden wirkt, wenn es jemand sagt, dessen Terminkalender wahrscheinlich dicker ist als die Bibel.

Der Spruch ist ein guter Eisbrecher, auch Gabriels Parteifreund Hubertus Heil nutzt ihn gern. Als die Runde zusammentritt, wirft Gabriel vorübergehend die versammelten Medienvertreter aus dem Raum, die er zuvor eigens hat einladen lassen. Seine Gesprächspartner sollen sehen: Sie sind ihm wichtig. Das ist keine Show hier, wir sind unter uns.

Zu Sabine Ohlendorf, seit mehr als 20 Jahren bei Schlecker, sagt er: "So lange schon? Das sieht man Ihnen aber nicht an! Wahrscheinlich ist Ihr Kreislauf in dieser Zeit oft genug in Wallung geraten." Hans-Jürgen Döbbelin, Handelsexperte bei Verdi in Hannover, fragt er mal nebenbei: "Wer ist bei euch im Vorstand für Schlecker zuständig?" Gabriel gibt sich jovial und hemdsärmelig, er zieht alle Register aus mehr als 30 Jahren Politikbetrieb. Es fällt schwer, ihn nicht zu mögen, wenn er in so einer Runde sitzt.

"Anton Schlecker soll mal sagen, worauf er verzichten will!"

Gabriels Analyse der Situation: "Das Kernproblem ist doch: Der Eigentümer hat über Jahre viel Geld aus dem Unternehmen gezogen und nichts investiert." Die Wünsche der Kunden seien wohl nicht mehr erfüllt worden. Das ist natürlich völlig unstrittig, aber Gabriel hält inne und und sagt in die Runde: "Sie müssen mich korrigieren, wenn ich was Falsches sage." Auch das ist so ein Spruch, mit dem man über die Bande punkten kann.

Natürlich hat Gabriel nichts Falsches gesagt, also korrigiert ihn auch niemand. Erst recht nicht bei dem, was nun folgt: "Anton Schlecker ist extrem reich geworden. Er muss sich nun um die Leute kümmern, die ihm dabei all die Jahre geholfen haben." Gabriel zitiert aus dem Grundgesetz: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. "Da steht nicht: Sein Gebrauch soll zu möglichst hohem Reichtum führen!" Auf dem Parteitag hätte nun tosender Applaus eingesetzt, im Ratskeller nicken die versammelten Betriebsrätinnen zustimmend.

Nun komme wahrscheinlich ein Insolvenzplan, der von den Mitarbeitern Verzicht fordert. "Anton Schlecker muss nun auch mal sagen, worauf er verzichten will!" Im Moment lebe der Schlecker-Gründer auf Kosten der Allgemeinheit, denn die zahlt bei Insolvenzen erst mal.

Die Pleite-Botschaft überbrachte ein Kunde

Die Betriebsrats-Vertreterinnen gaben traurige Einblicke in das Innenleben der insolventen Drogeriekette. "Schon seit drei oder vier Wochen kommen manche Waren nicht mehr", berichtet Rosi Gerske, Betriebsratsvorsitzende aus Braunschweig. "Viele Kunden kommen immer wieder und fragen danach. Aber irgendwann kommen die Kunden nicht mehr", fürchtet sie. Die Nachricht von der Insolvenz erhielt sie von Kunden, die noch schnell Gutscheine einlösen wollten, weil sie befürchteten, dass das demnächst nicht mehr geht.

"Wir hatten erst mal Angst, dass wir kein Geld mehr bekommen", sagt Sabine Ohlendorf. Gabriel hört aufmerksam zu. Mehr kann er nicht machen, aber er macht es so gut, dass man fast neidisch wird.

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