Deutsche Kinder schlucken zu viele Pillen
Seite 1 von 1
Deutsche Kinder schlucken zu viele Pillen
Arzneimittelreport: Starker Anstieg bei Psychopharmaka für junge Menschen. Auch Alte nehmen zu viele Medikamente
Zu viele Psychopharmaka für Kinder und zu viele Wirkstoffe gleichzeitig für ältere Menschen – zu diesen zwei besorgniserregenden Befunden kommt der Arzneimittelreport 2013 der Barmer GEK, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Danach schlucken Kinder und Jugendliche in Deutschland immer mehr Medikamente gegen schwere psychische Erkrankungen. In den vergangenen sieben Jahren stieg die Verschreibung von Antipsychotika um 41 Prozent, bei neueren Präparaten gab es sogar ein Plus von 129 Prozent. "Eine medizinische Erklärung dafür lässt sich nicht direkt herleiten", sagte der Bremer Wissenschaftler Gerd Glaeske vom Autoren-Team, das den Report erstellt hat. Weder zeigten Studien einen Anstieg psychiatrischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen, noch hätten sich die relevanten Therapieempfehlungen geändert. Die Verordnungszahlen seien "besorgniserregend hoch".
Glaeske verwies auf gravierende Nebenwirkungen der Psychopillen wie Kopfschmerz, Schlaflosigkeit, Gewichtszunahme. Oft seien die Medikamente für Kinder auch noch gar nicht untersucht worden. Mit zunehmendem Alter steigen die Zahlen. Ein Drittel der Kinder bekomme neben den Antipsychotika auch Mittel gegen das Zappelphilipp-Syndrom ADHS. Dabei seien die Diagnosen zum überwiegenden Teil nicht schwerwiegend: In 48 Prozent der Fälle gehe es um "hyperkinetische Störungen", in knapp 30 Prozent um Störungen des Sozialverhaltens.
Auch bei alten Menschen ist der Verbrauch von Medikamenten bedenklich hoch. Jeder dritte Versicherte über 65 Jahre schluckt demnach fünf oder mehr Arzneimittelwirkstoffe am Tag, bei den Hochbetagten über 80 Jahren ist es sogar jeder zweite. Im Durchschnitt nehmen Männer über 65 Jahre täglich 7,3 Wirkstoffe ein, bei Frauen sind es 7,2. Glaeske warnte vor den Wechselwirkungen der Arzneien. Ein Mensch könne drei bis vier verschiedene Wirkstoffe "gut aushalten", ein Medikamentencocktail darüber hinaus führe aber zu Unverträglichkeiten.
Grund für die Überversorgung sei, dass 65-Jährige durchschnittlich vier Ärzte hätten: einen Allgemeinarzt, einen Augenarzt, einen Orthopäden sowie bei Frauen einen Gynäkologen und bei Männern einen Urologen. Diese würden jeweils mehrere Medikamente verschreiben. Glaeske sagte, jeder zehnte ältere Mensch werde ins Krankenhaus eingeliefert, weil er zu viele verschiedene Arzneimittel eingenommen habe.
Barmer-Vizechef Rolf-Ulrich Schlenker forderte mit Blick auf die "riskante Multimedikation" eine bessere Vernetzung und mehr Transparenz im Gesundheitswesen. "Sprechen sich die behandelnden Ärzte untereinander ab, kooperieren sie bei der Beratung mit den Apothekern?", fragte Schlenker. "Hätten wir die elektronische Gesundheitskarte, das elektronische Rezept und die elektronische Patientenakte, hätten behandelnde Ärzte und auch Apotheker einen viel besseren Überblick über die Arzneimitteltherapie", erklärte er. Scharf kritisierte er die "Blockadepolitik namhafter Ärztefunktionäre" gegen eine moderne Telematikinfrastruktur. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte jüngst auf dem Ärztetag mit dem Ausstieg aus der elektronischen Gesundheitskarte gedroht. Schlenker kritisierte das als Rückfall in "altgekannte Verhinderungsrituale".
Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller hielt entgegen, im Alter steige das Risiko für viele Krankheiten. "Für die Patienten ist es ein Segen, dass man diese inzwischen medikamentös behandeln oder ihnen vorbeugen kann", teilte Forschungs-Geschäftsführer Siegfried Throm mit. Das gehe aber oft nur mit der dauerhaften Einnahme mehrerer Medikamente.
Kritisch sieht das Autorenteam vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen auch den Einsatz von Schlaf- und Beruhigungsmitteln (Benzodiazepine) bei Menschen mit Demenzerkrankung. Das Risiko, diese Medikamente verordnet zu bekommen, sei bei Menschen mit Demenz um das 1,5-fache erhöht. Mit dem Wirkstoff sei ein Verlust kognitiver Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Erinnerung oder Lernen verbunden. So würde etwa in manchen Pflegeheimen versucht, mit Medikamenten das nicht vorhandene Personal zu ersetzen.
Viele ältere Menschen seien von den Arzneimitteln abhängig. "Sie bekommen sie vermutlich oft nur, um quälende Entzugssymptome zu vermeiden", meinte Glaeske.
Für den Arzneimittelreport, der zum vierten Mal erschien, wurden die Daten von mehr als neun Millionen Versicherten der Krankenkasse ausgewertet.
Quelle
Generation Psycho, die Pharmaindustrie freut es.
Die Gesellschaft muss leider damit leben.
Zu viele Psychopharmaka für Kinder und zu viele Wirkstoffe gleichzeitig für ältere Menschen – zu diesen zwei besorgniserregenden Befunden kommt der Arzneimittelreport 2013 der Barmer GEK, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Danach schlucken Kinder und Jugendliche in Deutschland immer mehr Medikamente gegen schwere psychische Erkrankungen. In den vergangenen sieben Jahren stieg die Verschreibung von Antipsychotika um 41 Prozent, bei neueren Präparaten gab es sogar ein Plus von 129 Prozent. "Eine medizinische Erklärung dafür lässt sich nicht direkt herleiten", sagte der Bremer Wissenschaftler Gerd Glaeske vom Autoren-Team, das den Report erstellt hat. Weder zeigten Studien einen Anstieg psychiatrischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen, noch hätten sich die relevanten Therapieempfehlungen geändert. Die Verordnungszahlen seien "besorgniserregend hoch".
Glaeske verwies auf gravierende Nebenwirkungen der Psychopillen wie Kopfschmerz, Schlaflosigkeit, Gewichtszunahme. Oft seien die Medikamente für Kinder auch noch gar nicht untersucht worden. Mit zunehmendem Alter steigen die Zahlen. Ein Drittel der Kinder bekomme neben den Antipsychotika auch Mittel gegen das Zappelphilipp-Syndrom ADHS. Dabei seien die Diagnosen zum überwiegenden Teil nicht schwerwiegend: In 48 Prozent der Fälle gehe es um "hyperkinetische Störungen", in knapp 30 Prozent um Störungen des Sozialverhaltens.
Auch bei alten Menschen ist der Verbrauch von Medikamenten bedenklich hoch. Jeder dritte Versicherte über 65 Jahre schluckt demnach fünf oder mehr Arzneimittelwirkstoffe am Tag, bei den Hochbetagten über 80 Jahren ist es sogar jeder zweite. Im Durchschnitt nehmen Männer über 65 Jahre täglich 7,3 Wirkstoffe ein, bei Frauen sind es 7,2. Glaeske warnte vor den Wechselwirkungen der Arzneien. Ein Mensch könne drei bis vier verschiedene Wirkstoffe "gut aushalten", ein Medikamentencocktail darüber hinaus führe aber zu Unverträglichkeiten.
Grund für die Überversorgung sei, dass 65-Jährige durchschnittlich vier Ärzte hätten: einen Allgemeinarzt, einen Augenarzt, einen Orthopäden sowie bei Frauen einen Gynäkologen und bei Männern einen Urologen. Diese würden jeweils mehrere Medikamente verschreiben. Glaeske sagte, jeder zehnte ältere Mensch werde ins Krankenhaus eingeliefert, weil er zu viele verschiedene Arzneimittel eingenommen habe.
Barmer-Vizechef Rolf-Ulrich Schlenker forderte mit Blick auf die "riskante Multimedikation" eine bessere Vernetzung und mehr Transparenz im Gesundheitswesen. "Sprechen sich die behandelnden Ärzte untereinander ab, kooperieren sie bei der Beratung mit den Apothekern?", fragte Schlenker. "Hätten wir die elektronische Gesundheitskarte, das elektronische Rezept und die elektronische Patientenakte, hätten behandelnde Ärzte und auch Apotheker einen viel besseren Überblick über die Arzneimitteltherapie", erklärte er. Scharf kritisierte er die "Blockadepolitik namhafter Ärztefunktionäre" gegen eine moderne Telematikinfrastruktur. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte jüngst auf dem Ärztetag mit dem Ausstieg aus der elektronischen Gesundheitskarte gedroht. Schlenker kritisierte das als Rückfall in "altgekannte Verhinderungsrituale".
Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller hielt entgegen, im Alter steige das Risiko für viele Krankheiten. "Für die Patienten ist es ein Segen, dass man diese inzwischen medikamentös behandeln oder ihnen vorbeugen kann", teilte Forschungs-Geschäftsführer Siegfried Throm mit. Das gehe aber oft nur mit der dauerhaften Einnahme mehrerer Medikamente.
Kritisch sieht das Autorenteam vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen auch den Einsatz von Schlaf- und Beruhigungsmitteln (Benzodiazepine) bei Menschen mit Demenzerkrankung. Das Risiko, diese Medikamente verordnet zu bekommen, sei bei Menschen mit Demenz um das 1,5-fache erhöht. Mit dem Wirkstoff sei ein Verlust kognitiver Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Erinnerung oder Lernen verbunden. So würde etwa in manchen Pflegeheimen versucht, mit Medikamenten das nicht vorhandene Personal zu ersetzen.
Viele ältere Menschen seien von den Arzneimitteln abhängig. "Sie bekommen sie vermutlich oft nur, um quälende Entzugssymptome zu vermeiden", meinte Glaeske.
Für den Arzneimittelreport, der zum vierten Mal erschien, wurden die Daten von mehr als neun Millionen Versicherten der Krankenkasse ausgewertet.
Quelle
Generation Psycho, die Pharmaindustrie freut es.
Die Gesellschaft muss leider damit leben.
Andy- Admin
- Anzahl der Beiträge : 36186
Anmeldedatum : 03.04.11
Ähnliche Themen
» ADHS gibt es NICHT - außer als PHARMA-Markt!
» Rund 14 000 unentdeckte Infektionen:Viele Deutsche wissen gar nicht, dass sie HIV haben
» Arzt muss Raucherinnen über Pillen-Risiko aufklären
» Rund 14 000 unentdeckte Infektionen:Viele Deutsche wissen gar nicht, dass sie HIV haben
» Arzt muss Raucherinnen über Pillen-Risiko aufklären
Seite 1 von 1
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten
Fr Nov 15, 2024 3:20 am von Heiliger Hotze
» Halflives
Fr Nov 15, 2024 3:18 am von Heiliger Hotze
» Kupfergold
Fr Nov 15, 2024 3:15 am von Heiliger Hotze
» Whitesnake
Fr Nov 15, 2024 3:13 am von Heiliger Hotze
» ( ENGELSEIN ) ENGELHAI
Fr Nov 15, 2024 3:11 am von Heiliger Hotze
» MALIGNANT TUMOUR
Fr Nov 15, 2024 3:04 am von Heiliger Hotze
» - LEEAAV -
Fr Nov 15, 2024 3:02 am von Heiliger Hotze
» (( ifa ))
Fr Nov 15, 2024 3:00 am von Heiliger Hotze
» AOP Records
Fr Nov 15, 2024 2:57 am von Heiliger Hotze