Das Konzentrationslager Jasenovac
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Das Konzentrationslager Jasenovac
Das Konzentrationslager Jasenovac (serbokroatisch Koncentracioni logor Jasenovac, Концентрациони Логор Јасеновац; jiddisch יאסענאוואץ; hebräisch יסנובץ), benannt nach dem in der Nachbarschaft gelegenen Ort Jasenovac; eine Eigenbezeichnung lautete Sabirni logor Br. III, ins Deutsche übersetzt Sammellager Nr. III, war während des Zweiten Weltkriegs das größte Sammel-, Arbeits-, Konzentrations- und Vernichtungslager im so genannten, jedoch von den faschistischen Regierungen Deutschlands und Italiens abhängigen Unabhängigen Staat Kroatien (NDH) und zugleich nach Gefangenenzahlen eines der größten in ganz Europa.[1] Es war das einzige Vernichtungslager im Zweiten Weltkrieg in Europa, in dem ohne deutsche Beteiligung planmäßig gemordet wurde.[2] Im Konzentrationslager-Komplex Jasenovac starben überwiegend dort gefangen gehaltene Serben, aber auch zahlreiche Juden und Roma, sowie Regimegegner, darunter auch Kroaten und bosnische Muslime.
„Steinerne Blume“, Denkmal für die Opfer des Konzentrationslagers, entworfen von Bogdan Bogdanović, erbaut 1966
Der von der Ustascha zwischen 1941 und April 1945 geleitete Lagerkomplex lag kurz unterhalb der Mündung der Una in die Save 95 km südöstlich von Zagreb. Er bestand aus insgesamt fünf Nebenlagern und drei kleineren Lagern. Zu den Lagern gehörten drei Kinderkonzentrationslager: KZ Sisak als größtes, KZ Gornja Rijeka als kleinstes sowie das KZ Jastrebarsko. Die Angaben, nach denen die Gesamtfläche des Komplexes bis zu 240 Quadratkilometer betrug, sind fragwürdig, weil unklar bleibt, was dabei unter „Komplex“ verstanden wird.[3]
Die Angaben über die Opferzahlen weichen aufgrund ihrer teilweisen Verwendung im Rahmen propagandistischer Zwecke stark voneinander ab.
Ein weiteres Konzentrationslager auf dem Territorium des NDH-Staates war das Konzentrationslager Sajmište am linksseitigen Saveufer bei Zemun, welches von den deutschen Besatzungstruppen betrieben wurde.
Hintergrund
Befehl von 1941 an Serben und Juden, ihre Häuser in Zagreb zu verlassen, sowie Drohung der gewaltsamen Vertreibung bei Nichtbefolgung des Befehls
Der Balkanfeldzug mit dem Überfall der Achsenmächte führte zwischen dem 6. und 17. April 1941 zur Besetzung und Zerschlagung des Königreichs Jugoslawien durch deutsche, italienische, ungarische und bulgarische Truppen. Ursprünglich hatte Deutschland gehofft, das neutrale Jugoslawien in ein Bündnis zwingen zu können. Bereits am 10. April 1941 marschierte die Wehrmacht in Zagreb ein, woraufhin Oberst Slavko Kvaternik im Namen der faschistischen Ustascha-Bewegung den Marionettenstaat der Achsenmächte proklamierte, den sogenannten Unabhängigen Staat Kroatien (NDH) unter Adolf Hitlers und Benito Mussolinis Protektion, zu dem auch Slawonien, Syrmien und fast ganz Dalmatien, Bosnien und die Herzegowina, sowie Teile Serbiens gehörten. Die Proklamierung des neuen Staates wurde von der Mehrheit der Kroaten begrüßt, aber in diesem Gebilde lebten neben den ca. 3,3 Millionen Kroaten noch rund 3 Millionen andere, mit etwa 1,9 Millionen vorwiegend Serben, aber auch 700.000 Muslime, sowie eine Anzahl weiterer ethnischer Minderheiten.
Der NDH-Staat führte schließlich in Anlehnung an das nationalsozialistische Deutschland ebenfalls Rassengesetze ein. Nach diesen wurden hunderttausende Juden, Roma und vor allem Serben verfolgt, eingesperrt und ermordet. Zusätzlich entstanden auf dem Gebiet des Staates um die 40 Konzentrations- und Internierungslager.[4] Die Ustascha errichtete unter ihrem Führer Ante Pavelić eine totalitäre Diktatur, die für den Genozid an den verschiedenen ethnischen Gruppen und die Ermordung zahlreicher politischer Oppositioneller verantwortlich war. Ambivalent war das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zu den Ustascha. Nationalistisch eingestellte katholische Geistliche aus der NDH sympathisierten, kooperierten oder beteiligten sich an den Taten der Ustascha. Andere protestierten gegen deren Verbrechen. Der planmäßige Völkermord, der mehrere hunderttausend Todesopfer forderte, erreichte seinen Höhepunkt schließlich im KZ Jasenovac.
Entstehung und Geschichte
Die Lager wurden aufgrund der kroatischen Gesetzanordnung Nr. CDXXIX-2101-Z-1941 vom 25. November 1941, der von Ante Pavelić erlassen und von Justizminister Mirko Puk unterschrieben wurde, formal legalisiert.[5] Dieses Gesetz "erlaubte" die gewaltsame Festnahme und Internierung missliebiger Personen in Arbeitslagern und somit die Errichtung von Konzentrationslagern. Mit dem Bau des KZ ließ Eugen Dido Kvaternik, der als Leiter der Ustaška nadzorna služba (UNS), Staatspolizei und Geheimdienst des NDH, die Oberaufsicht für sämtliche Lager hatte, Ende 1941 beginnen. Gründer und Organisator von Jasenovac war General Vjekoslav Luburić, zugleich Kommandant des Lagerkomplexes, genannt „Maks der Metzger“. Er war zur Ausbildung im KZ Sachsenhausen gewesen, wo er den Aufbau des Lagers und dessen Möglichkeiten zur Liquidierung der Internierten studierte, um anschließend zu versuchen, dieses Modell auf Jasenovac zu übertragen.[6]
Zwischen 1941 und 1945 gab es etwa 40 Konzentrationslager und Tötungsstätten auf dem Territorium des NDH-Staates. Die kleineren wurden jedoch rasch aufgelöst. Stattdessen wurde mit Jasenovac ein zentraler Standort ausgewählt, zur Verhinderung von Fluchten günstig gelegen am Zusammenfluss der Save mit den Flüssen Una, Strug und Lonja und zugleich für einen großen Lagerkomplex verkehrstechnisch geeignet in der Nähe der Bahnlinie Belgrad−Zagreb. Der Hauptzweck war die Vernichtung von Serben, Juden und Roma samt ihrer Angehörigen und Kinder sowie die Ausrottung von Angehörigen der serbisch-orthodoxen Kirche. Darüber hinaus wurden in dem Lager unter anderem Panzer repariert, Lederwaren für das Ustascha-Militär sowie Schiffsketten hergestellt. Auch eine große Ziegelei befand sich auf dem Lagergelände. Das Arbeits-, Vernichtungs- und Konzentrationslager war nach dem Vorbild der deutschen KZ konzipiert und erhielt wegen seiner Größe bald den Beinamen „Auschwitz des Balkans“. Über dem Haupttor hieß es auf Kroatisch „Alles für den Poglavnik“ (mit Poglavnik war der NDH-Führer Ante Pavelić gemeint) und darunter „Arbeitsdienst der Ustasa-Verteidigung – Sammellager Nr. III“.[7]
Zwangsarbeit und Morde
Zeitweilig diente das Lager auch als Sammellager für Gefangene auf dem Weg in andere Vernichtungslager. Gleichzeitig wurden bis zu 5000 Menschen interniert und mussten Zwangsarbeit leisten.
Der Lagerkomplex bestand aus fünf Teilen: Lager I (Krapje), Lager II (Bročice), Lager III (Ciglana [Ziegelei]), Lager IV (Kožara) und Lager V (Stara Gradiška). Die Lager I und II wurden vermutlich zur selben Zeit errichtet und im August 1941 wurden die ersten Gefangenen aufgenommen. Kommandanten der beiden Lager waren Ante Marić und Ivan Ranko. Im November 1941 wurde nach Überschwemmungen auf den Gebieten der ersten beiden Lager ein neues Lager errichtet. Das neue Lager in der Ziegelei von Jasenovac war das größte Lager.
Die meisten der mit Viehwaggons und Lastwagen herangebrachten Opfer wurden direkt von der Bahnendstation am Fluss Save mit einer Fähre ans andere Flussufer nach Donja Gradina (im heutigen Bosnien-Herzegowina) gebracht und dort massakriert. Gaskammern gab es zu diesem Zweck nicht. Die Tötungen wurden zunächst mit Schusswaffen, später vor allem mit Messern, aber auch Hacken, Beilen, Äxten und Hämmern vorgenommen.[9] Es wurde dabei auch ein sogenanntes Srbosjek (deutsch etwa Serbenschneider), ein von einer deutschen Firma im Auftrag des NDH-Staates produziertes, ursprünglich für den landwirtschaftlichen Gebrauch gedachtes Messer, benutzt.[10][11][12][13] Der obere Teil des Messers war aus Leder, als eine Art Handschuh, entworfen. Der untere Teil bestand aus einer 12 cm langen und leicht gebogenen Klinge mit einer geschärften inneren konkaven Seite.[14] Mit diesen und einigen anderen Methoden wandelte sich das Konzentrationslager in ein Schlachthaus.[15]
Ein deutscher Gesandter, F. Benzler, berichtete 1941 nach Berlin von „Untaten, wie man sie nur von vertierten Bolschewisten erwarten sollte“. Deutsche Militärs befürchteten wegen der angewandten Grausamkeiten ein Erstarken der Widerstandsbewegung (General Edmund Glaise von Horstenau im März 1942 in einem Brief an Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel).[9]
Endphase und Reaktionen
Das Ende des Vernichtungslagers Jasenovac ist nicht genau zu datieren, jedoch bereitete die Ustascha im April 1945 seine Schließung vor, nachdem die jugoslawischen Partisanen immer wieder angriffen, um das Lager zu befreien.[16] Auch die Rote Armee war bereits nach Jugoslawien vorgedrungen. Am Abend des 21. April wurde die letzte große Gruppe von 700 bis 900 Frauen hingerichtet, woraufhin einige der noch überlebenden 1050 Männer für den 22. April den Ausbruch planten. Unbewaffnet stellten sich 600 von ihnen der schwerbewaffneten Ustascha entgegen. 80 Lagerinsassen gelang die Flucht, die restlichen 520 wurden während des Fluchtversuchs getötet. 460 Gefangene, die zu alt, schwach oder krank für die Revolte gewesen waren und im Lager III zurückblieben, wurden von den Ustascha umgebracht. In den letzten Apriltagen wurden alle verbliebenen Häftlinge ermordet, Dokumente und Unterlagen vernichtet und das Lager gesprengt. Am 2. Mai erreichten die Einheiten der jugoslawischen Partisanenarmee das niedergebrannte Lager Jasenovac.[16]
Dinko Šakić, der das Lager zeitweise kommandierte, wurde 1998 im Alter von 76 Jahren von Argentinien an Kroatien ausgeliefert. Er wurde 1999 vom Zagreber Kreisgericht der Kriegsverbrechen an Zivilisten im Sinne der Anklage, gemäß Artikel 120 Abs. 1 des kroatischen Strafgesetzbuchs, für schuldig befunden und zu 20 Jahren Haft verurteilt.
Mehrere katholische Seelsorger und Geistliche waren in verantwortlichen und ausführenden Funktionen in Jasenovac tätig,[17] darunter die Geistlichen Ivica Brkljačić und Ivica Matković, sowie Matijević, Zvonko Brekalo, Čelina und Lipovac.[18] Miroslav Filipović, genannt „Bruder Teufel“, ein ehemaliger Priester, der wegen seiner Verbrechen in Banja Luka vom Franziskaner-Orden ausgeschlossen wurde, übernahm für vier Monate, von Juni bis Oktober 1942, das Kommando in Jasenovac.[19][20] Er wurde 1946 in Zagreb gehängt. Der Priester Ivica Brkljačić wurde im Sommer 1943 der Kommandant von Jasenovac.[21][22]
Gedenkstätten
Heute befinden sich in den beiden durch den Fluss Save getrennten Teilen des ehemaligen Konzentrations-, Arbeits- und Vernichtungslagers Gedenkstätten. Die Save bildet die Staatsgrenze zwischen den kroatischen und den bosnisch-herzegowinischen Flächen des ehemaligen KZs. Vom Lager selbst finden sich bis auf Teile der ehemaligen Lagereisenbahn keine Spuren mehr.
Auf dem Gelände der Gedenkstätte Donja Gradina wurden bisher neun Grabfelder lokalisiert, in denen sich 105 Massengräber befinden. Nach einer Untersuchung des Instituts für landwirtschaftliche Bodenkunde Sarajevo im Jahr 1991 gibt es 20 weitere Gräber. Die Größe der Gräber umfasst mehr als 11 Hektar, die der Grabfelder 66 Hektar.
An den beiden Orten wird jeweils am Sonntag nach dem Gedenktag, dem 22. April, weiterhin des Häftlingsaufstandes und der Befreiung getrennt gedacht. Auch fehlen eine direkte räumliche Verknüpfung sowie ein Hinweis auf die ehemalige Fährverbindung.
Zahl der Opfer
Die Zahl der Opfer in Jasenovac war stets Gegenstand von Manipulationsversuchen, gefolgt von heftigen politischen Debatten und Konflikten. Im sozialistischen Jugoslawien wurde die Opferzahl aus Jasenovac mit bis zu 700.000 Toten angegeben, obwohl die jugoslawische Regierung 1964 nur knapp 600.000 Kriegsopfer im gesamten Jugoslawien namentlich nachweisen konnte. Autoren wie der serbische Emigrant Bogoljub Kočović (ein Statistiker) oder der kroatische Ex-Partisan und Wirtschaftswissenschaftler Vladimir Žerjavić[23] errechneten unabhängig voneinander mit bevölkerungsstatistischen Methoden eine Opferzahl von bis zu 85.000. Der serbische Schriftsteller und Politiker Miodrag Bulatović trieb die Opferzahlen auf über eine Million,[24] Franjo Tuđman sprach dagegen von 30.000 bis 40.000 Opfern.[25] Seit 1998 tagte ein kroatisch-serbischer Historikerdialog, der sich auch mit dem Streit um die Zahl der Todesopfer in Jasenovac beschäftigte. Beim Belgrader Dialog 2002 kamen beide Seiten überein, dass sich die Zahl der Umgekommenen etwa auf 60.000 bis 80.000 belaufen müsste, was den Jahre zuvor von Žerjavić und Kočović errechneten Daten entspricht.[26][27] Das 2009 erschienene Standardwerk von Benz/Distel gibt die Opferzahl mit 80.000 bis 90.000 an.[28]
Verschiedene Institute und Historiker, darunter das Simon-Wiesenthal-Zentrum[29] in Jerusalem, die Holocaust Encyclopedia des staatlichen United States Holocaust Memorial Museum[30] und Slavko Goldstein[31] kommen zu geschätzten Opferzahlen zwischen 77.000 und 99.000 Personen in Jasenovac. Die österreichische Historikerin Grünfelder schreibt von 100.000 Opfern.[32]
Das von Adil Zulfikarpašić gegründete „Bosniakische Institut“ in Zürich publizierte 1998 die Namen von insgesamt 59.188 Opfern des Lagerkomplexes Jasenovac (einschließlich Stara Gradiška), darunter 33.944 Serben, 9.044 Juden, 6.546 Kroaten und 1.471 Roma. Der Rest verteilte sich auf Personen unterschiedlicher ethnischer bzw. religiöser Zuordnung sowie auf Opfer, deren Nationalität nicht eindeutig festgestellt werden konnte. Da die Erhebung von 1964, die zu dieser Publikation führte, unvollständig war, sind diese Zahlen als zu niedrig zu betrachten.[33] Forscher am Belgrader Museum für Genozidopfer haben bisher 80.000 bis 90.000 Menschen gezählt, die in Jasenovac starben.[34]
Der österreichische Historiker Hans Safrian[35] zitiert höhere Zahlenangaben:
„Die genaue Zahl der Opfer von Jasenovac läßt sich mangels schriftlicher Quellen nicht ermitteln, so daß nur Schätzungen möglich sind. In einem Bericht, der Anfang 1944 an Glaise-Horstenau geschickt worden war, wurden die Angaben eines ehemaligen Lagerinsassen wiedergegeben, wonach von der Ustascha in Jasenovac bis Ende 1943 300.000 bis 400.000 Menschen ermordet wurden.“[36]
In der Gedenkstätte Donja Gradina wird weiterhin die Zahl von 700.000 Opfern dargestellt, während in der Gedenkstätte Jasenovac von ca. 80.000 Opfern ausgegangen wird.[37]
Das Museum der Gedenkstätte veröffentlichte eine, noch nicht vollständige, Liste der Opfer von Jasenovac, mit dem Stand der Nachforschungen bis zum 18. April 2010. Darin sind biographische Daten der einzelnen Opfer und Informationen zu den Umständen ihres Todes aufgeführt. In dieser Liste sind bisher 83.145 namentlich bekannte Personen, darunter 47.627 Serben, 16.173 Roma, 13.116 Juden und 4.255 Kroaten, aufgeführt die in Jasenovac zwischen Einrichtung des Lagers 1941 bis zur Befreiung 1945 zu Tode kamen. Diese bilden einen Teil der 597.323 amtlich registrierten Kriegsopfer Jugoslawiens, die in der „Poimeničnog popisa žrtava Drugog svjetskog rata u Jugoslaviji“ (deutsch: Namensliste der Opfer des Zweiten Weltkriegs in Jugoslawien) gelistet sind.[38]
Rezeption
Bei Konzerten der kontrovers diskutierten kroatischen nationalistischen Rockband Thompson wurde auch das Ustaša-Lied Jasenovac i Gradiška Stara, to je kuća Maksovih mesara gesungen (dt. Jasenovac und Gradiška Stara, das ist das Haus von Maks Metzger). Dieses wird als positive Bezugnahme auf die Morde in den KZs Jasenovac und Stara Gradiška interpretiert sowie als Ehrenbezeugung vor dem ehemaligen Kommandanten von Jasenovac Vjekoslav Luburić.[39][40][41] Das Lied endet mit Grüßen an den Ustascha-Führer Ante Pavelić.[41]
Quelle
„Steinerne Blume“, Denkmal für die Opfer des Konzentrationslagers, entworfen von Bogdan Bogdanović, erbaut 1966
Der von der Ustascha zwischen 1941 und April 1945 geleitete Lagerkomplex lag kurz unterhalb der Mündung der Una in die Save 95 km südöstlich von Zagreb. Er bestand aus insgesamt fünf Nebenlagern und drei kleineren Lagern. Zu den Lagern gehörten drei Kinderkonzentrationslager: KZ Sisak als größtes, KZ Gornja Rijeka als kleinstes sowie das KZ Jastrebarsko. Die Angaben, nach denen die Gesamtfläche des Komplexes bis zu 240 Quadratkilometer betrug, sind fragwürdig, weil unklar bleibt, was dabei unter „Komplex“ verstanden wird.[3]
Die Angaben über die Opferzahlen weichen aufgrund ihrer teilweisen Verwendung im Rahmen propagandistischer Zwecke stark voneinander ab.
Ein weiteres Konzentrationslager auf dem Territorium des NDH-Staates war das Konzentrationslager Sajmište am linksseitigen Saveufer bei Zemun, welches von den deutschen Besatzungstruppen betrieben wurde.
Hintergrund
Befehl von 1941 an Serben und Juden, ihre Häuser in Zagreb zu verlassen, sowie Drohung der gewaltsamen Vertreibung bei Nichtbefolgung des Befehls
Der Balkanfeldzug mit dem Überfall der Achsenmächte führte zwischen dem 6. und 17. April 1941 zur Besetzung und Zerschlagung des Königreichs Jugoslawien durch deutsche, italienische, ungarische und bulgarische Truppen. Ursprünglich hatte Deutschland gehofft, das neutrale Jugoslawien in ein Bündnis zwingen zu können. Bereits am 10. April 1941 marschierte die Wehrmacht in Zagreb ein, woraufhin Oberst Slavko Kvaternik im Namen der faschistischen Ustascha-Bewegung den Marionettenstaat der Achsenmächte proklamierte, den sogenannten Unabhängigen Staat Kroatien (NDH) unter Adolf Hitlers und Benito Mussolinis Protektion, zu dem auch Slawonien, Syrmien und fast ganz Dalmatien, Bosnien und die Herzegowina, sowie Teile Serbiens gehörten. Die Proklamierung des neuen Staates wurde von der Mehrheit der Kroaten begrüßt, aber in diesem Gebilde lebten neben den ca. 3,3 Millionen Kroaten noch rund 3 Millionen andere, mit etwa 1,9 Millionen vorwiegend Serben, aber auch 700.000 Muslime, sowie eine Anzahl weiterer ethnischer Minderheiten.
Der NDH-Staat führte schließlich in Anlehnung an das nationalsozialistische Deutschland ebenfalls Rassengesetze ein. Nach diesen wurden hunderttausende Juden, Roma und vor allem Serben verfolgt, eingesperrt und ermordet. Zusätzlich entstanden auf dem Gebiet des Staates um die 40 Konzentrations- und Internierungslager.[4] Die Ustascha errichtete unter ihrem Führer Ante Pavelić eine totalitäre Diktatur, die für den Genozid an den verschiedenen ethnischen Gruppen und die Ermordung zahlreicher politischer Oppositioneller verantwortlich war. Ambivalent war das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zu den Ustascha. Nationalistisch eingestellte katholische Geistliche aus der NDH sympathisierten, kooperierten oder beteiligten sich an den Taten der Ustascha. Andere protestierten gegen deren Verbrechen. Der planmäßige Völkermord, der mehrere hunderttausend Todesopfer forderte, erreichte seinen Höhepunkt schließlich im KZ Jasenovac.
Entstehung und Geschichte
Die Lager wurden aufgrund der kroatischen Gesetzanordnung Nr. CDXXIX-2101-Z-1941 vom 25. November 1941, der von Ante Pavelić erlassen und von Justizminister Mirko Puk unterschrieben wurde, formal legalisiert.[5] Dieses Gesetz "erlaubte" die gewaltsame Festnahme und Internierung missliebiger Personen in Arbeitslagern und somit die Errichtung von Konzentrationslagern. Mit dem Bau des KZ ließ Eugen Dido Kvaternik, der als Leiter der Ustaška nadzorna služba (UNS), Staatspolizei und Geheimdienst des NDH, die Oberaufsicht für sämtliche Lager hatte, Ende 1941 beginnen. Gründer und Organisator von Jasenovac war General Vjekoslav Luburić, zugleich Kommandant des Lagerkomplexes, genannt „Maks der Metzger“. Er war zur Ausbildung im KZ Sachsenhausen gewesen, wo er den Aufbau des Lagers und dessen Möglichkeiten zur Liquidierung der Internierten studierte, um anschließend zu versuchen, dieses Modell auf Jasenovac zu übertragen.[6]
Zwischen 1941 und 1945 gab es etwa 40 Konzentrationslager und Tötungsstätten auf dem Territorium des NDH-Staates. Die kleineren wurden jedoch rasch aufgelöst. Stattdessen wurde mit Jasenovac ein zentraler Standort ausgewählt, zur Verhinderung von Fluchten günstig gelegen am Zusammenfluss der Save mit den Flüssen Una, Strug und Lonja und zugleich für einen großen Lagerkomplex verkehrstechnisch geeignet in der Nähe der Bahnlinie Belgrad−Zagreb. Der Hauptzweck war die Vernichtung von Serben, Juden und Roma samt ihrer Angehörigen und Kinder sowie die Ausrottung von Angehörigen der serbisch-orthodoxen Kirche. Darüber hinaus wurden in dem Lager unter anderem Panzer repariert, Lederwaren für das Ustascha-Militär sowie Schiffsketten hergestellt. Auch eine große Ziegelei befand sich auf dem Lagergelände. Das Arbeits-, Vernichtungs- und Konzentrationslager war nach dem Vorbild der deutschen KZ konzipiert und erhielt wegen seiner Größe bald den Beinamen „Auschwitz des Balkans“. Über dem Haupttor hieß es auf Kroatisch „Alles für den Poglavnik“ (mit Poglavnik war der NDH-Führer Ante Pavelić gemeint) und darunter „Arbeitsdienst der Ustasa-Verteidigung – Sammellager Nr. III“.[7]
Zwangsarbeit und Morde
Zeitweilig diente das Lager auch als Sammellager für Gefangene auf dem Weg in andere Vernichtungslager. Gleichzeitig wurden bis zu 5000 Menschen interniert und mussten Zwangsarbeit leisten.
Der Lagerkomplex bestand aus fünf Teilen: Lager I (Krapje), Lager II (Bročice), Lager III (Ciglana [Ziegelei]), Lager IV (Kožara) und Lager V (Stara Gradiška). Die Lager I und II wurden vermutlich zur selben Zeit errichtet und im August 1941 wurden die ersten Gefangenen aufgenommen. Kommandanten der beiden Lager waren Ante Marić und Ivan Ranko. Im November 1941 wurde nach Überschwemmungen auf den Gebieten der ersten beiden Lager ein neues Lager errichtet. Das neue Lager in der Ziegelei von Jasenovac war das größte Lager.
Die meisten der mit Viehwaggons und Lastwagen herangebrachten Opfer wurden direkt von der Bahnendstation am Fluss Save mit einer Fähre ans andere Flussufer nach Donja Gradina (im heutigen Bosnien-Herzegowina) gebracht und dort massakriert. Gaskammern gab es zu diesem Zweck nicht. Die Tötungen wurden zunächst mit Schusswaffen, später vor allem mit Messern, aber auch Hacken, Beilen, Äxten und Hämmern vorgenommen.[9] Es wurde dabei auch ein sogenanntes Srbosjek (deutsch etwa Serbenschneider), ein von einer deutschen Firma im Auftrag des NDH-Staates produziertes, ursprünglich für den landwirtschaftlichen Gebrauch gedachtes Messer, benutzt.[10][11][12][13] Der obere Teil des Messers war aus Leder, als eine Art Handschuh, entworfen. Der untere Teil bestand aus einer 12 cm langen und leicht gebogenen Klinge mit einer geschärften inneren konkaven Seite.[14] Mit diesen und einigen anderen Methoden wandelte sich das Konzentrationslager in ein Schlachthaus.[15]
Ein deutscher Gesandter, F. Benzler, berichtete 1941 nach Berlin von „Untaten, wie man sie nur von vertierten Bolschewisten erwarten sollte“. Deutsche Militärs befürchteten wegen der angewandten Grausamkeiten ein Erstarken der Widerstandsbewegung (General Edmund Glaise von Horstenau im März 1942 in einem Brief an Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel).[9]
Endphase und Reaktionen
Das Ende des Vernichtungslagers Jasenovac ist nicht genau zu datieren, jedoch bereitete die Ustascha im April 1945 seine Schließung vor, nachdem die jugoslawischen Partisanen immer wieder angriffen, um das Lager zu befreien.[16] Auch die Rote Armee war bereits nach Jugoslawien vorgedrungen. Am Abend des 21. April wurde die letzte große Gruppe von 700 bis 900 Frauen hingerichtet, woraufhin einige der noch überlebenden 1050 Männer für den 22. April den Ausbruch planten. Unbewaffnet stellten sich 600 von ihnen der schwerbewaffneten Ustascha entgegen. 80 Lagerinsassen gelang die Flucht, die restlichen 520 wurden während des Fluchtversuchs getötet. 460 Gefangene, die zu alt, schwach oder krank für die Revolte gewesen waren und im Lager III zurückblieben, wurden von den Ustascha umgebracht. In den letzten Apriltagen wurden alle verbliebenen Häftlinge ermordet, Dokumente und Unterlagen vernichtet und das Lager gesprengt. Am 2. Mai erreichten die Einheiten der jugoslawischen Partisanenarmee das niedergebrannte Lager Jasenovac.[16]
Dinko Šakić, der das Lager zeitweise kommandierte, wurde 1998 im Alter von 76 Jahren von Argentinien an Kroatien ausgeliefert. Er wurde 1999 vom Zagreber Kreisgericht der Kriegsverbrechen an Zivilisten im Sinne der Anklage, gemäß Artikel 120 Abs. 1 des kroatischen Strafgesetzbuchs, für schuldig befunden und zu 20 Jahren Haft verurteilt.
Mehrere katholische Seelsorger und Geistliche waren in verantwortlichen und ausführenden Funktionen in Jasenovac tätig,[17] darunter die Geistlichen Ivica Brkljačić und Ivica Matković, sowie Matijević, Zvonko Brekalo, Čelina und Lipovac.[18] Miroslav Filipović, genannt „Bruder Teufel“, ein ehemaliger Priester, der wegen seiner Verbrechen in Banja Luka vom Franziskaner-Orden ausgeschlossen wurde, übernahm für vier Monate, von Juni bis Oktober 1942, das Kommando in Jasenovac.[19][20] Er wurde 1946 in Zagreb gehängt. Der Priester Ivica Brkljačić wurde im Sommer 1943 der Kommandant von Jasenovac.[21][22]
Gedenkstätten
Heute befinden sich in den beiden durch den Fluss Save getrennten Teilen des ehemaligen Konzentrations-, Arbeits- und Vernichtungslagers Gedenkstätten. Die Save bildet die Staatsgrenze zwischen den kroatischen und den bosnisch-herzegowinischen Flächen des ehemaligen KZs. Vom Lager selbst finden sich bis auf Teile der ehemaligen Lagereisenbahn keine Spuren mehr.
Auf dem Gelände der Gedenkstätte Donja Gradina wurden bisher neun Grabfelder lokalisiert, in denen sich 105 Massengräber befinden. Nach einer Untersuchung des Instituts für landwirtschaftliche Bodenkunde Sarajevo im Jahr 1991 gibt es 20 weitere Gräber. Die Größe der Gräber umfasst mehr als 11 Hektar, die der Grabfelder 66 Hektar.
An den beiden Orten wird jeweils am Sonntag nach dem Gedenktag, dem 22. April, weiterhin des Häftlingsaufstandes und der Befreiung getrennt gedacht. Auch fehlen eine direkte räumliche Verknüpfung sowie ein Hinweis auf die ehemalige Fährverbindung.
Zahl der Opfer
Die Zahl der Opfer in Jasenovac war stets Gegenstand von Manipulationsversuchen, gefolgt von heftigen politischen Debatten und Konflikten. Im sozialistischen Jugoslawien wurde die Opferzahl aus Jasenovac mit bis zu 700.000 Toten angegeben, obwohl die jugoslawische Regierung 1964 nur knapp 600.000 Kriegsopfer im gesamten Jugoslawien namentlich nachweisen konnte. Autoren wie der serbische Emigrant Bogoljub Kočović (ein Statistiker) oder der kroatische Ex-Partisan und Wirtschaftswissenschaftler Vladimir Žerjavić[23] errechneten unabhängig voneinander mit bevölkerungsstatistischen Methoden eine Opferzahl von bis zu 85.000. Der serbische Schriftsteller und Politiker Miodrag Bulatović trieb die Opferzahlen auf über eine Million,[24] Franjo Tuđman sprach dagegen von 30.000 bis 40.000 Opfern.[25] Seit 1998 tagte ein kroatisch-serbischer Historikerdialog, der sich auch mit dem Streit um die Zahl der Todesopfer in Jasenovac beschäftigte. Beim Belgrader Dialog 2002 kamen beide Seiten überein, dass sich die Zahl der Umgekommenen etwa auf 60.000 bis 80.000 belaufen müsste, was den Jahre zuvor von Žerjavić und Kočović errechneten Daten entspricht.[26][27] Das 2009 erschienene Standardwerk von Benz/Distel gibt die Opferzahl mit 80.000 bis 90.000 an.[28]
Verschiedene Institute und Historiker, darunter das Simon-Wiesenthal-Zentrum[29] in Jerusalem, die Holocaust Encyclopedia des staatlichen United States Holocaust Memorial Museum[30] und Slavko Goldstein[31] kommen zu geschätzten Opferzahlen zwischen 77.000 und 99.000 Personen in Jasenovac. Die österreichische Historikerin Grünfelder schreibt von 100.000 Opfern.[32]
Das von Adil Zulfikarpašić gegründete „Bosniakische Institut“ in Zürich publizierte 1998 die Namen von insgesamt 59.188 Opfern des Lagerkomplexes Jasenovac (einschließlich Stara Gradiška), darunter 33.944 Serben, 9.044 Juden, 6.546 Kroaten und 1.471 Roma. Der Rest verteilte sich auf Personen unterschiedlicher ethnischer bzw. religiöser Zuordnung sowie auf Opfer, deren Nationalität nicht eindeutig festgestellt werden konnte. Da die Erhebung von 1964, die zu dieser Publikation führte, unvollständig war, sind diese Zahlen als zu niedrig zu betrachten.[33] Forscher am Belgrader Museum für Genozidopfer haben bisher 80.000 bis 90.000 Menschen gezählt, die in Jasenovac starben.[34]
Der österreichische Historiker Hans Safrian[35] zitiert höhere Zahlenangaben:
„Die genaue Zahl der Opfer von Jasenovac läßt sich mangels schriftlicher Quellen nicht ermitteln, so daß nur Schätzungen möglich sind. In einem Bericht, der Anfang 1944 an Glaise-Horstenau geschickt worden war, wurden die Angaben eines ehemaligen Lagerinsassen wiedergegeben, wonach von der Ustascha in Jasenovac bis Ende 1943 300.000 bis 400.000 Menschen ermordet wurden.“[36]
In der Gedenkstätte Donja Gradina wird weiterhin die Zahl von 700.000 Opfern dargestellt, während in der Gedenkstätte Jasenovac von ca. 80.000 Opfern ausgegangen wird.[37]
Das Museum der Gedenkstätte veröffentlichte eine, noch nicht vollständige, Liste der Opfer von Jasenovac, mit dem Stand der Nachforschungen bis zum 18. April 2010. Darin sind biographische Daten der einzelnen Opfer und Informationen zu den Umständen ihres Todes aufgeführt. In dieser Liste sind bisher 83.145 namentlich bekannte Personen, darunter 47.627 Serben, 16.173 Roma, 13.116 Juden und 4.255 Kroaten, aufgeführt die in Jasenovac zwischen Einrichtung des Lagers 1941 bis zur Befreiung 1945 zu Tode kamen. Diese bilden einen Teil der 597.323 amtlich registrierten Kriegsopfer Jugoslawiens, die in der „Poimeničnog popisa žrtava Drugog svjetskog rata u Jugoslaviji“ (deutsch: Namensliste der Opfer des Zweiten Weltkriegs in Jugoslawien) gelistet sind.[38]
Rezeption
Bei Konzerten der kontrovers diskutierten kroatischen nationalistischen Rockband Thompson wurde auch das Ustaša-Lied Jasenovac i Gradiška Stara, to je kuća Maksovih mesara gesungen (dt. Jasenovac und Gradiška Stara, das ist das Haus von Maks Metzger). Dieses wird als positive Bezugnahme auf die Morde in den KZs Jasenovac und Stara Gradiška interpretiert sowie als Ehrenbezeugung vor dem ehemaligen Kommandanten von Jasenovac Vjekoslav Luburić.[39][40][41] Das Lied endet mit Grüßen an den Ustascha-Führer Ante Pavelić.[41]
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